BÜRSTADT – Bei der Vorstellung der 3. Auflage des Bürstädter Mundart-Wörterbuchs hatten Herausgeber Alexander Bauer und der 1. Vorsitzende der Bürgerstiftung Rüdiger Engert ihren Spaß an Wörtern und Begriffen in der Bäschdädder Muddasprooch. Von seiner riesengroßen Freude am Dialekt erzählt Bauer begeistert und Engert, der den Bürstädter Dialekt auch noch zuhause mitbekommen hat, ist über das Projekt Dialektrettung froh. Auch die Bürgerstiftung setze sich für die Mundart ein und sei immer offen für neue Projekte und Ideen. Die Spendensammlung für die Rikscha läuft bekanntlich über die Bürgerstiftung.
Das Mundart-Wörterbuch ist nicht nur eine Fundgrube von A bis Z, vielmehr will Bauer mit der 80-seitigen Broschüre im Selbstverlag die Freude an der Bürstädter Mundart fördern. Die zweite Auflage ist längst ausverkauft – den Erlös von 1.000 Euro über die Druckkosten hinaus hat Bauer an die Bürgerstiftung und für das Bürstädter Rikscha-Projekt gespendet. Die nächste 1.000-Euro-Spende ist für die Rikscha und den Heimat- und Geschichtsverein eingeplant. Alexander Bauer, bekannt als Landtagsabgeordneter und Stadtverordnetenvorsteher, hat die Mundart als spannendes Hobby für sich entdeckt und sein Dialekt-Projekt in privater Initiative auf den Weg gebracht. Unterstützung erhielt Bauer durch viele Mundartsprecher wie Peter Jakob und dessen Mutter, Seniorinnen aus dem Altenheim und hochmotivierte Korrekturhelfer.
Besonders Frank Gumbel ist er dankbar für die Zusammenarbeit und dessen Wörtersammlung – der Gründer der „Bäschdädder Babbler“ habe ihn vor zwei Jahren inspiriert. Eine Broschüre sei ursprünglich gar nicht geplant gewesen, erklärte Bauer beim Pressetermin im KamÜ, doch aus der „Druckfahne“ wurde dann die 1. Ausgabe mit 2.200 Einträgen, die 3. Auflage bringt es mit 90 neuen Begriffen auf 3.177 Einträge und ein Kreuzworträtsel – ein Nachschlagewerk, eine Wortschatz-Fundgrube und Verstehenshilfe sowie eine handliche Ergänzung zur bereits bestehenden Online-Sammlung unter www.mundartretter.de. Die digitale Version erweise sich als praktisch bei der Korrektur von Schreibweisen und Ergänzung von neuen Begriffen, erklärte Bauer, gedacht ist an eine Erweiterung mit sprachlichen Tonbeiträgen.
Eine Bürstädter Fibel ist das nächste Projekt, nachdem Bauer feststellte, dass sich nicht alle Mundart-Funde sinnvoll in das Wörterbuch integrieren lassen. So wurden die Mundart-Lieder wie „Die Bäschdädder Kerb ist do“ aus der 2. Ausgabe nicht mehr in die Nachfolgeausgabe übernommen. In der geplanten Bürstädter Fibel mit dem Titel „sellemols & heit“ werden Gemarkungsbezeichnungen, Straßennamen von früher und heute erklärt, Geschäfte auch mit aktuellen Adressen, Gaststätten, Bäckereien und Metzgereien, Friseure, Namen von früheren Pfarrern und Ärzten und vieles mehr im Zeitraum seit 1945 gesammelt und erklärt. Ein Beispiel ist die Mainstraße, die nicht nach dem Fluss benannt wurde – die amerikanischen Besatzer änderten den Nazi-Namen der Straße in Main Street, weil es die Hauptstraße war.
Damit es mundartlich nicht „zabbeduuschder“ wird
Alexander Bauer will die Mundart retten, denn seine Generation könnte schon die letzte sein, die mit der Bürstädter Mundart aufgewachsen ist, sie sprechen und verstehen kann. Dabei sei Zweisprachigkeit ein nachgewiesener Vorteil und „situative Zweisprachigkeit“, das Wechseln zwischen deutscher Schriftsprache und Dialekt je nach Situation und Gesprächspartner sei Ausdruck von Identität, Zugehörigkeit und Zeichen kulturellen Reichtums. Doch gehen die natürlichen Sprecher zurück, das sei in Deutschland und weltweit feststellbar, deshalb gebe es am 21. Februar den jährlichen „Internationalen Tag der Muttersprache“ der Vereinten Nationen. In Hessen wurde in diesem Jahr erstmals unter dem Motto „Hessens Vielfalt zum Klingen bringen“ der Mundart-Preis des Hessischen Heimat-Ministeriums verliehen. Damit will Hessen verstärkt Dialekt und Brauchtum fördern. „Sprache, Kultur und Heimatgefühl sind ein politisches Thema“, meint Bauer.
Ein solches Vorhaben zur Rettung der Bürstädter Mundart gelingt jedoch nicht alleine, die Bürger sind eingeladen mit ihren Ideen, Korrekturen und sprachlicher Kompetenz das Wörterbuch zu verbessern und zu bereichern, ebenso sind Beiträge für die Fibel willkommen. Bereits über 200 Einträge seien nach einem Aufruf im Netz zusammengekommen. Bei diesem „Jahrhundertwerk“ erwartet Bauer kein schnelles Ende, denn es mache den Leuten auch Spaß. Als Ziel nennt Bauer unter anderem die Entstehung von Dialekten zu erklären, wie Lehnwörter und Begriffe aus der jiddischen und französischen Sprache in den Bürstädter Dialekt kamen. Ein Bädschdädder Liederbuch und Kochbuch soll entstehen. Im Sommer plant Bauer einen Stadtspaziergang mit allen, die ihr Wissen los werden wollen. Der Termin wird im TiP bekanntgegeben.
Hannelore Nowacki
Beitrag aus der Rubrik